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  • AutorenbildKjeld Stormarnson

FREYA - Free Green Imperial and Yelan Aid Organisation

Aktualisiert: 10. Dez. 2020

[Geschichte wird aus der Sicht von Tjarva Ulfur erzählt | Autor: Kjeld Stormarnson]

[Handlungszeitraum: Mitte November 2950 bis zum 25.11.2950]

(6 Kapitel Geschichte) - Diese Geschichte wird noch überarbeitet und formatiert... LaTeX Import

 

[Erstes Kapitel: Die blutrote Eisenkette]

Ein Schatten brach das Licht hinter der zischenden Luftschleuse, während ein süß metallischer Geruch mich an meinen alltäglichen Albtraum erinnerte. Ein Albtraum den ich jeden Tag aufs Neue durchleben musste. Zwei schwer verletzte Männer stützten sich gegenseitig über die Schwelle, wobei dem einen der halbe Raumanzug weggerissen wurde. Hingegen der eine sich noch selbstständig auf zwei Beinen halten konnte, fiel der andere fast von seiner Schulter. Liv drängte sich an mir vorbei und übernahm den tiefer hängenden Bergbauarbeiter, dessen halber Helm gesplittert und eingedrückt war. "Tjarva, hol uns das Multi-Tool!”, forderte Liv mich energisch auf und hob mit Synni den fast am Boden liegenden Patienten auf das Krankenbett. Während ich die Operationskiste nach dem Multi-Tool durchsuchte, übernahm Vanessa den zweiten, aber weniger angeschlagenen Verletzten. Liv griff fokussiert zum Vitalscanner und zog es näher an den Schreienden, dessen Brüllen und schwerer Atem hinter den Splitterrissen gut zu hören war: “Synni, wir brauchen die Med-Pens! Wir wollen ihn nicht verlieren! Tjarva, wo bleibst du!?” “Ich finde das M... Moment, ich hab es!” Panisch griff ich nach dem pistolartigen Multifunktionsgerät und reichte es Liv: “Okay junger Mann, ich weiß Sie haben Schmerzen, aber reißen sie sich jetzt zusammen und rühren sie sich kein Stück. Ich muss den Helm aufschneiden, damit wir besser an die Verletzung kommen!” Vanessa wies mich zu den anderen Patienten, während sie Liv half, den Kopf des Schwerverletzten festzuhalten. Das brennende Licht vom MultiTool schien Funken entlang der Schnittlinie zu hinterlassen, sodass Liv und Vanessa ihre Schutzbrillen tragen mussten. Synni brachte eine Schale mit Med-Pens zur Schmerzlinderung und notfalls auch zur Reanimation. Der andere Mann schien schockiert auf den Boden zu starren, während neben mehreren Prellungen, sein linker Arm gerade von Vanessa verbunden wurde. Ich warf einen genauen Blick auf die Verwundung und erkannte die ihm abgenommenen Armrüstungsteile neben ihm liegen, in welchem sich große Metallsplitter festgesetzt hatten. Langsam fuhr ich mit einem feuchten Tuch über seine Stirn und musterte seine aufgerissenen Augenlider: “Wie fühlen sie sich?” Der schockierte Blick regte sich kurz auf, starrte mir in die Augen und löste sich dann aus den Gedanken: “Wird er es schaffen?” “Wir versuchen ihn zu retten, versprochen. Es würde uns helfen, zu wissen was passiert ist. Wurdet ihr angegriffen?” “Er hatte gesagt, wir sollen den Asteroiden befestigen. Ein neuer Außenposten...”, der Blick des Bergbauarbeiters richtete sich zum Krankenbett: “Wir konnten doch nicht wissen...” Er hielt inne und versuchte kläglich den schmerzenden Atem seines Freundes zu lauschen, der vor wenigen Augenblicken noch im ganzen Schiff zu hören war, mittlerweile aber verstummte. Synni traute sich nicht zu ihrer Kollegin aufzublicken, während Vanessa den aufgeschnittenen Helm vom Krankenbett rückte. Liv griff sich frustriert hinter den Kopf, schloss kurz die Augen und wandte sich dem bei mir sitzenden Patienten zu: “Tut mir leid, es war zu spät...” Die Starre des Mannes schien sein Gesicht nicht zu verlassen, so auch keine einzige Träne oder ein weiteres Wort von seinen Lippen. Meine Hände trauten sich nicht weiter das feuchte Tuch an seine Stirn zu halten. Liv verließ die Med Bay zum Cockpit, woraufhin ich Vanessa erneut bat sich zu dem Patienten zu setzen. Ich folgte Liv ins Cockpit, wo sie ihre Handschuhe in einem kleinen Eimer entsorgte und sich im Wasch- und Toilettenraum die Hände desinfizierte. Sie ballte eine Faust um die Desinfektionsmittelflasche und sah sich selbst vorwurfsvoll im Spiegel an: “Er ist verblutet...” Ich kniff meine Lippen zusammen, mit der Erinnerung an die sechs anderen Tode die wir diese Woche auf diesem Schiff erlebt haben: “Es war zu spät, wie du schon gesagt hattest. Wir hätten nicht schneller herkommen können, das Signal hat uns einfach zu spät erreicht.” Verzweifelt ließ Liv sich gegen die Wand fallen, neigte ihren Kopf nach oben und tastete die Raumkanten ab, als suche sie etwas um sich festzuhalten: “Zu spät...” Sie richtete sich wieder auf: “Vanessa soll die letzten Vitalüberprüfungen mit dem Patienten durchführen. Bitte hilf Synni die Leiche im Frachtraum einzudecken. Ich bereite unseren Sprung vor und sage euch dann Bescheid. Außerdem soll die Luftschleuse wieder geschlossen werden, damit wir abdocken können.” Ohne weitere Worte setzte sich Liv auf den Pilotenstuhl, während ich mit Synni den schweren leblosen Körper in den sehr kleinen Frachtraum brachte. Synni war schon seit Jahren meine beste Freundin und meldete sich gemeinsam mit mir am selben Tag bei FREYA anzuheuern. Eine von Liv gegründete Hilfsorganisation, die sich mobil im Asteroidenring um Yela bewegte und den eiskalten Mond wie eine Eisenkette fesselte. So nannte meine Mutter den Asteroidengürtel immer. Eine blutrot befleckte Eisenkette, gegriffen von einer brutalen Faust der Korruption und Piraterie. Crusader Industries konnte die Sicherheit im Yela Mondsektor nicht sehr lange halten und fütterte Verbrecher und Schmuggler mit kaum bewachten Handelsrouten und einer zu unterbesetzten Sektorkontrolle. Der einst von Bergbauern beliebte Kleinring wurde zur düsteren Hölle des rötlich schimmernden Gasriesen. Vanessa legte den Patienten nach den letzten Uberprüfungen zu Bett, befestigte ihn mit Lederriemen und setzte sich zu Liv ins Cockpit. Synni und ich mussten uns auf den Betten neben dem Waschraum sichern, indem wir uns ebenfalls befestigten. Es gab zu wenig abgesicherte Sitzplätze auf unserem Rettungsschiff, sodass wir bei jedem Sprung hofften, nicht von einem Piratengeschwader aus dem Quantum Sprung gezogen zu werden. Grim Hex war das Herz unserer Operationen. Ein dreckiger Ort, der einst einen wohl durchdachten Zweck diente. Green Imperial Housing Exchange wurde kurz nach der Entdeckung des Stanton-Systems errichtet und ließ eine Bergbauarbeitsunterkunft in einem gewaltigen Asteroiden thronen. 2938 verließen die meisten Gäste Green Imperial und zurück blieb eine verlassene Raumstation mit einer wachsenden Kriminalität. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis das organisierte Verbrechen um die Vorherrschaft des Eisenkettenherzens stritt. Sich über allen anderen behaupten konnten sich die gut organisierten Nine-Tail Piraten, welche mithilfe von ihrem Königsstatus zu Gunsten vieler weiterer skrupelloser Söldner, Piraten, Schmuggler oder sonstigen Verbrechern, ein weites Netzwerk für ihresgleichen auf GrimHex ermöglichten. Die schmierigen Credits förderten eine neu lebendig werdende Wohnheimstätte für Flüchtlinge, Verbrecher und vieler weiterer zwielichtiger Gestalten. Unter anderem schuf es aber auch ambitionierte Menschen ohne kriminellen Hintergrund, wie Liv, die ihre Hilfsorganisation in der Old 38 Bar gründete, um jenen Menschen helfen zu können, denen sonst nicht geholfen wurde. Darunter fallen auch Piraten und Schmuggler, aber auch jene die es noch wagen nach, in und um Yela legal unterwegs zu sein. Denn die hauseigenen Rettungsdienste und Rettungsgruppen von Crusader Industries oder aus der Stadt Orison trauten sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr in den Asteroidenring. Wenige Rettungseinheiten die schwer bewaffnet waren, wagten sich ab und zu tiefer in die Spielhalle der neunschwänzigen Jagdgeschwader, hatten es aber genauso schwer wie wir. Denn viele unserer Patienten wussten oftmals nicht von unserer Existenz und sendeten stattdessen ein Hilferuf nach GrimHex, welche diesen glücklicherweise seit einigen Jahren immer an uns weiterleiteten. Der Umweg nahm einem trotzdem wertvolle und vor allem lebensrettende Sekunden. Als wir uns von den Lederriemen wieder abschnallen konnten, wies das von außen eingedrungene Licht auf die erfolgreiche Landung in einem der GrimHex Hangar hin. Da der wortlos gebliebene Patient weiterhin keine Antworten gab, blieb Vanessa mit ihm an Bord des Schiffes. Liv half Synni und mir die Leiche aus dem Schiff zu tragen und sie den bewaffneten Söldnern im Hangar zu übergeben. Hier wuselten einige kleine Söldnerunternehmen im Sicherheitsgeschäft von GrimHex mit und hatten ganz sicher einen engen Bezug zu den Nine-Tails. Hangarbewachung gehört zum Objektschutz und schien unter der Würde der Königspiraten zu liegen, weshalb die edlen Verbrecher sich nicht auf diese niedrige Arbeit herablassen wollten. Sie bezahlten meist externe Unternehmen für diese Art von Arbeit. Die Leichen die wir ihnen übergaben, wurden wenn nicht identifizierbar, an Wallace Klim übergeben. Offiziell interessierte er sich in der Freizeit an leblosen Körpern zu experimentieren, hingegen böse Zungen behaupteten, er nutze sie für den Drogenschmuggel und habe vor einigen Monaten sogar eine unscheinbar kleine Leichentransportfirma auf die Beine gestellt. Der irre alte Mann machte mir schon immer Angst, mit seinem gruseligen Gesang der durch seine dunkle Halle zog. Es war auch sehr schwierig mit ihm vernünftig zu reden, da er immer sehr schizophren in die Ecken schaute und unsichtbaren Schatten folgte. Kinder sollten ihm am besten ganz aus dem Weg gehen, wenn sie diese verstörende Begegnung vermeiden wollen. “Tjarva, wir treffen uns später in der 38. Ich muss noch einige Besorgungen für unsere nächste Runde besorgen. Pass auf, dass Synni nicht wieder mit den Türstehern verschwindet. Letztes Mal musste ich an jeder einzelnen Schlafkammer anklopfen, um sie letztendlich im Block D ausfindig zu machen.” Ich musste schmunzeln, während Synni mit einem genervten Blick auf Liv’s ernste Mine antwortete. Liv nahm sich ihre Baumwolltasche und verschwand in einem roten Lichtschimmer, der scheinbar überall auf GrimHex zu finden war. Ein sehr beeindruckender Ort, der genauso düster wie faszinierend auf mich wirkte.


 

[Zweites Kapitel: Ein Boden aus Bier und Staub]

Kaum sind Synni und ich drei Schritte durch die verstaubten Gassen von GrimHex gegangen, wollten unsere Stiefelsohlen nur schwer vom Boden absetzen. Überall wo einst Bier und Whiskey verschüttet wurde, stiefelte man kraftvoll durch das neon-rote Licht und vernahm den Gestank nicht gewaschener Männer, die in ihrer eigenen Trunksucht auf Woll- und Wärmedecken einschliefen. Man begegnete ihnen an jeder Ecke, perspektivlose Seelen, Menschen die sich selbst aufgegeben haben. Darunter auch Flüchtlinge aus von Piraten bedrohten Gebieten anderer Monde und Planeten, die sich hier erneut unter der Gewaltherrschaft des organisierten Verbrechen wiederfanden. Normalerweise mietete sich unsere Crew alle paar Tage wieder eine Schlafkammer hier, um solche Menschen auf Krankheiten und Infektionen zu untersuchen. Liv gingen aber immer mehr die finanziellen Mittel aus, seitdem sie keine Unterstützung mehr von ihrem Lebensgefährten Daston Rim bekam. Dieser floh nach einem riesigen Konflikt mit seiner Großunternehmung im Bergbau- und Sicherheitsgeschäft aus diesem Sternsystem. Wenn Menschen aus GrimHex flüchten mussten, dann nur wenn sie Konflikte mit den Nine-Tails oder Kopfgeldjägern hatten, die sich um die "öffentliche Ordnung” der Königspiraterie nicht scheren. Liv hatte uns aber nie erzählt, was dort intern genau geschehen ist. Wir kannten nur die Gerüchte die sich jeder erzählte oder bekamen von vernichtenden Auseinandersetzungen unterschiedlicher Gruppierungen mit, die entweder gegen die von Daston Rim gegründete A.M.C.Y, der sogenannten Asteroid Mining Corporation of Yela, agierten, oder mit Daston Rim den Verrat an ihn versuchten zu rächen. Seither war Liv mit FREYA auf der Suche nach neuen Investoren, die keinen kriminellen Hintergrund besaßen. Es war ihr wichtig, dass ihre Hilfsorganisation unabhängig vom finsteren Ruf der ehemaligen Bergbaustation blieb. Ich folgte Synni noch zu KC Trending, da sie wohl von Reedy noch neue Stiefel abholen wollte. Aber wer hätte geahnt, dass sie neben dieser Bestellung, auch noch einen leidenschaftlichen Kuss bekommen würde. Sie war bekannt dafür, dass sie viel von anderen Männern geliebäugelt und begehrt war. “Synni, ich gehe zur Bar. Bleibst du hier?” “Ich glaube das würde ich gerne machen.”, ihr Blick umgarnte ihren neuen Liebhaber: “Aber Tjarva!” “Ja?”, erwiderte ich mit müder Stimme. “Dein Vater konnte dich gestern nicht erreichen. Da stimmt was mit deinem MobiGlas nicht. Es ging um den neuen Kühler für unsere Red.” “Ich melde mich bei ihm. Danke dir.” Synni wuchs in derselben Familiengemeinschaft auf wie ich. Ein Zusammenschluss aus vier Clans, den Scathir, den Ulfur, den Hatrkarl und den Fiskaar. Alle Angehörigen verdienten ihren Lebensunterhalt mit der Arbeit für Bergbauunternehmen und dem Sammeln von Schrott und alten Schiffskomponenten, womit sie vor einigen Jahren einen eigenen kleinen Asteroiden bebauen konnten. Sie nannten das dort errichtete Gebäudekomplex Nidavellir, so auch fortan unsere Familiengemeinschaft, angelehnt an eine uralte Kultur, die das Fundament unserer Familiengeschichte begründet hatte. Wir nannten den Oberhaupt der gesamten Familiengemeinschaft beim Beinamen Sindri. Es war mehr ein Titel, als ein Zusatzname, und bezog sich ebenfalls auf eine uralte Gestalt und Geschichte einer längst vergessenen Naturreligion von der Erde. Synni gehörte zum Clan der Scathir, ihr Vater Sjard war derzeit unser Sindri, womit Synni einen sehr wichtigen Status in der Gemeinschaft besaß. Mein Vater war Friko, Clanoberhaupt der Ulfur. Mit der Familie der Hatrkarl teilten wir uns vor allem eine kriegerische Vergangenheit, da wir bis zum Vorfall mit der A.M.C.Y eine eigenes Privatmilitärunternehmen führten. Es handelte sich vielmehr um ein einzelnes Jagdgeschwader, welches von kleineren Bergbauunternehmen zum Transportschutz genutzt wurde. Wir nannten es stolz unser Wolfsgeschwader, hingegen sie vor Jahren dann als Lupus Initiative der A.M.C.Y Security Company, der sogenannten ACS, eingegliedert wurde. Daston Rim sah in der effektiven Söldnerstaffel ein zukünftiges Kommandogeschwader, dass die Beständigkeit seines immer größer werdenden Unternehmensimperium durchsetzen konnte. Anders als andere Einheiten der ACS, verfügte Daston dank Liv über eine persönliche Bindung zu unseren Clans, womit das Wolfsgeschwader eine Sonderstellung genoss. Als seine großen Visionen aber durch Korruption und den Verrat seines besten Freundes Deger Jil zu Grunde ging, zerstörten Jil’s Nine Tails Scharmützel unser Nidavellir, und unsere Familienclans zogen nach Orison auf Crusader um. Mit der Unterstützung der Crusader Security Untersuchungen im Fall A.M.C.Y gewährte Sektorabteilungsleiter Michael Serif Synnis Vater das genehmigte Wohnrecht in der Stadt Orison. Die meisten hart arbeitenden Mitglieder unserer Familiengemeinschaft schufteten seither in der Schiffsindustrie von Crusader Industries. Wenige wie Liv, Synni und ich haben sich noch entschlossen unserer alten Heimatumgebung etwas zu geben. Im Rahmen der A.M.C.Y Misere folgte auf das Wolfsgeschwader auch noch das zweite Wolfsgeschwader, und als Überbleibsel dieser Trauergeschichte, rief der Neffe von Lars Hatrkarl Gunnarson das Dritte Wolfsgeschwader aus. Mittlerweile hatte Kjeld Stormarnson ein eigenes kleines Privatmilitärunternehmen namens TYR gegründet und galt somit neben uns noch als Einziger unserer Familiengemeinschaft, der noch zur Waffe griff. Denn auch wir von FREYA sollten uns verteidigen können, weshalb Liv uns mehrmals in der Woche zum Nakamura Valley beorderte, wo wir Flugmanöver und Boardingabwehrtaktiken trainierten.


Vor der Old 38 Bar hielten sich immer zwei bis drei Türsteher auf, die in Kooperation mit dem Getränkelieferant YeBies und der Zustimmung der Nine-Tails die stetig wachsende Unruhe und Gewaltbereitschaft auf GrimHex niedrig halten sollten. Sie wurden nicht von der Piraterie bezahlt, aber geduldet. Denn auch die Herrscher des Chaos profitierten von einem geordnetem Rekrutierungsfeld. Unter den Türstehern wurden auch die Jungs von TYR angeheuert, mit denen ich zusammen eine gemeinsame Kindheit teilte. Skjulf und Eskil gehörten beispielsweise dazu, hingegen Skjulf der älteste Sohn von Siegfried Fiskaar war und Eskil der einzige Sohn von Daston Rim. Liv war aber nicht die Mutter. Die Familie Rim zählten wir seit der Romanze zwischen Liv und Daston zu unserer Gemeinschaft. Damit gehörte Eskil zum selben Familienclan, den Skjulf angehörte. Die jungen Kampfsportler lebten mit ihren Söldnerkameraden dauerhaft auf GrimHex, weshalb ihre Anwesenheit zuhause eher rar war. Ich freute mich die beiden an der Tür zu sehen und machte mit einem Ellenbogenstoß in den Rücken von Skjulf auf mich aufmerksam: “Na ihr beiden? Wie viele sind es heute?” Eskil stürmte freudig in meine Arme und rannte mich dabei fast um. Skjulf nickte mir nur nüchtern zu und sprach mit tiefer Stimme: “Zwei Trunkenbolde und ein Wahnsinniger der meinte sich unbekleidet auf Ash zu stürzen.” Ash war ein brutaler Lakai der Nine-Tails. Angeblich gehörte er nicht direkt dazu, sollte aber angeblich Schutzgeld eintreiben. Sein Bruder Patrick Caine, auch als der Skorpion bekannt, äußerte sich öffentlich als Investor und Unterstützer der roten Neun. Mit Stolz trägt er viele Anspielungen auf seiner Kleidung und gründete 2948 die sogenannte Hexagon Fighting Championsship auf seinem Raumfrachter. Ein sechseckiger Käfig bot Freiwilligen, sowie gezwungenen Kämpfern die Möglichkeit ihre Kräfte bis zur Besinnungslosigkeit zu testen, seither man diese regelbefreite Kampfart auch Hexagon Martial Arts bezeichnete. Jemand der sich traute Hand gegen Ash oder Patrick zu legen, bezahlte meistens mit Blut für seinen Hochmut. “Aber Ash hat ihn uns überlassen, sodass er einfach nur aus der Bar flog. Da hatte er wohl einen guten Tag erwischt.” Ich nickte erstaunt und strich Eskil die immer lang gewachsenen Haare aus dem Gesicht: “Sollt ihr eure Haare nicht kurz halten?” Eskil lachte und meinte: “Doch sicher. Aber da Kjeld ja mit Am0ebe in New Babbage festsitzt, kontrolliert das ja keiner.” “Als würde Ylvi dir nicht genauso den Kopf abreißen, wenn man dich kaum von den Straßenschnarchern unterscheiden kann.”, erwiderte Skjulf rau seinem Kameraden entgegen: “Tjarva, du siehst müde aus. Bestelle dir ein Smoltz auf unsere Kosten.” Nickend lächelte ich den beiden zu und passierte in die nach Bier stinkende 38. Wirkliche Stoßzeiten konnte ich bisher nie wirklich erkennen, es wirkte sehr wechselhaft von der Besucheranzahl bis hin zu der Unregelmäßigkeit von Veranstaltungen. Oft saß ich schon ganz einsam am Tresen, wobei es an manchen Tagen auch kaum möglich war vom einem Ende zum anderen zu gehen. Ash schien sich mit seinem Bruder schon die dritte Flasche Whiskey zu öffnen, hingegen mehr als die Hälfte der hier Anwesenden ein noch so seriöseres Geschäft jeweiligen Sitzgenossen vorschlagen wollten. Es wurden Schiffe für einen sehr niedrigen Preis weitervermittelt. Wie viele davon letztendlich gestohlen und defekt waren, konnte man nur vermuten. Eine Schlägerei brach immer nur dann aus, wenn die Türsteher die Ansage bekamen, wegzuschauen. Dafür konnten die Jungs von der Tür mit dem Stundenlohn einiges anfangen. Am Tresen saß ein kräftiger alter Mann mit grauen Haaren auf dem Kopf und im Gesicht. Seine eiskalt blauen Augen funkelten zwischen den Lichtern der vielen Gläser und Flaschen hinterm Barkeeper, der ihm gerade ein neues Smoltz bereitstellte. Er musste keine Credits zahlen, da er für das Beliefern von Getränken zuständig war. Derek Noon war der Gründer und Firmenleiter des kleinen Getränkelieferanten YeBies - Yela Beverage Supplies. Wir alle kannten Derek, den alten Brummbär aus Orison. Er flog mittlerweile neben GrimHex, auch mehrere Außenposten im Asteroidenring, auf Yela, auf Daymar und innerhalb Orison an. Er unterstützt das Bestreben von Kjeld und Liv als legales Unternehmen von GrimHex Seriosität und Standhaftigkeit zu bewahren. Neben ihm zu sitzen fühlte sich vertraut und geborgen an. Er wurde von jedermann respektiert und vermied jede Fehde mit der Piraterie. Derek nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche und zwinkerte mir liebevoll zu: “Was willst du haben?” “Skjulf meinte ich kann mir ein Smoltz auf seine Rechnung bestellen.” “Smoltz also?”, Derek gab dem Barkeeper ein Zeichen, der ohne zu zögern eine neue Flasche öffnete. Derek drehte sich zu mir und erkannte die Müdigkeit in meinem Gesicht: “Manchmal frage ich mich, wie du junges Ding das durchhalten kannst. Jeden Tag da raus zu gehen und dich mit dem Dreck vom Dreck auseinandersetzen.” “Das war meine Entscheidung zu FREYA zu gehen. Und die Menschen hier brauchen jemanden, der sich um sie sorgt. Ganz gleich welche Geschichte sie besitzen.” “Nur wissen die meisten diese Geste nicht zu schätzen. Ich ziehe meinen Hut vor euch Frijas... Wie war dein Tag, Kleine?”, er nahm einen weiteren Schluck aus seiner Flasche und schaute mich erwartungsvoll an. Die warme Kälte seiner Augen irritierte mich schon seitdem ich sie das erste Mal erblickte und wahrnahm, weshalb ich immer wieder erneut einen kurzen Augenblick brauchte, mich von der Ablenkung loszulösen und zu antworten: “Wir hatten heute unseren siebten Todesfall diese Woche. Wieder ein Bergbauarbeiter. Und vermutlich wieder ein Terroranschlag. Der Zweite hatte zum Glück überlebt. Vermutlich sind das nicht mal Übergriffe der Nine-Tails, sondern von irgendwelchen Kleinverbrechern oder unkontrollierten Söldnerbanden. Es wurde weder was gestohlen, noch sonstiger Profit aus den Anschlägen gezogen. Bergbauschiffe wurden vermehrt um GrimHex aufgespürt und von einzelnen Jägern beschossen. Das ist sicher auch mit den Patienten von heute geschehen.” “Sehr seltsam. Hm.”, der brummige Mann räusperte sich und faltete nachdenklich seine Hände: “Okay, aber das hast du nicht von mir. Letzte Nacht habe ich vier Männer aus Rutos Shop gehen sehen. Sie trugen widerliche Masken mit sich, die den Beschreibungen der Vanduul ähnelten. Reedy meinte sogar Schiffsnachbauten der Vanduul vor dem Eingang zum Zero G Level gesehen zu haben.” “Eine neue Gruppierung?” “Das weiß ich nicht! Aber gestern konnte ich Kjeld erreichen, der ähnliche Vorfälle um microTech bestätigen konnte. Solche Vorfälle scheinen sich gerade systemweit zu häufen. Man munkelt vom Varaterror. Der Ursprung ist mir allerdings nicht bekannt.” Unerwartet stand Liv direkt vor uns und schien auch ein Teil des Gespräches mitbekommen zu haben. Sie trug ihre Baumwolltasche mit neuem Proviant mit sich, die sie zwischen ihre Beine klemmte, als sie Derek die Hand zum Gruß reichte: “Maskierte Terroranschläge aus reiner Lust und Laune? Das hört sich für mich etwas weit hergeholt an.” “Ah Liv, meine Liebe.”, Derek griff nach ihrer Hand, legte seine andere behütend darüber: “Sofern da was dran ist, steckt da sicher mehr hinter. Achtet aber darauf, wem ihr da draußen im Dunkeln begegnet, ja?” “Keine Sorge, alter Mann. Es traut sich doch niemand FREYA anzugreifen. Die haben doch alle Angst ohne uns keine helfenden Hände mehr um GrimHex zu finden. Übrigens... Deine Tochter, Vanessa, schlägt sich sehr gut in unseren Reihen.” “Das freut mich sehr zu hören! Wo ist sie? Ist sie gar nicht bei euch?” Ich bot Liv einen Schluck aus meiner Flasche an, die sie zustimmend zu sich riss, und fordernd zu mir sah, als ob ich seine Frage beantworten sollte: “Liv beorderte sie dazu, auf den Überlebenden Acht zu geben. Sie ist an Board der Vana.” Derek nickte verständlich und erhob sich von seinem Barhocker. Liv zögerte nicht und ließ sich auf den vorgewärmten Sitz nieder. Seine großen kräftigen Hände hüllten unsere schmalen Schultern ein und der leicht bierige Atem ließ uns beide ein wenig von ihm ab neigen: “Passt gut auf Vanessa auf, ja? Sie ist meine einzige Tochter und mein einziges Kind... Und wenn ihr tatsächlich einen Mann lebendig aus so einem Anschlag retten konntet, solltet ihr ihn eventuell zu Serif bringen. Die Crusader Security sollte davon wissen, falls sich die Vorfälle häufen sollten. Wir sehen uns, Mädels.”



 

[Drittes Kapitel: Der Terror von Vara]

Michael Serif, Sektor Abteilungsleiter für den Raum Yela, war ein junger ambitionierter Sicherheitsmitarbeiter der Crusader Security. Sein Vater Pithgon Serif galt als korrupter Schmierlappen, der sich von den Piraten und Schmuggler kaufen ließ. Hingegen sich sein Sohn nach dem Rücktritt seines Vaters um die Wiederherstellung der Familienehre kümmerte, indem er den kriminellen Machenschaften der Nine-Tails und A.M.C.Y auf den Grund gehen wollte. Dafür gründete er 2945 die Sektor Abteilung 9, zur Verfolgung vom organisierten Verbrechen rund um Yela. Serif lernte Liv wohl schon in jüngeren Jahren kennen, seither sich auch Gerüchte darum woben, dass er einst sein Herz an sie verlor. Wirklich auf diese Gerüchte ging sie allerdings nie ein und wollte auch nicht weiter darüber sprechen. Wo Michael Serif anfangs Rim noch unterstellte der Übeltäter der A.M.C.Y ¨ Vergehen gewesen zu sein, schien er letztendlich doch einige Sympathie für den gutherzigen Visionär entwickelt zu haben. Dennoch war er fortgehend besessen davon, die damaligen Anschuldigungen gegen Rim irgendwie beweisen zu können, und auch den kriminellen Machenschaften der Nine-Tails auf den Grund zu gehen. Er war dafür bekannt sobald möglich ganze Feierlichkeiten und Organisationen an einem Tag hochzunehmen und unvergessliche Razzien zu anzuführen. Man sprach von sogenannten “Serifischen Razzien”. Die Asteroid Mining Corporation of Yela musste ganze drei Razzien durchleben, bevor ihr endgültiger Untergang besiegelt war. Die Übergabe des Überlebenden sollte an einem neutralen Ort stattfinden, weshalb Serif den Deakins Research Outpost von Rayari Inc. vorschlug. Eine kleine Forschungseinrichtung auf dem Mond Yela, von der man die Eisenkette am Himmel des Mondes wandern sehen konnte. Schaute man genau hin, sah man die groß beleuchteten Asteroiden, auf denen sich Außenposten, Gebäudekomplexe oder GrimHex selbst befand. Liv und ich halfen dem Patienten aus der Rampe unserer Vana und wurden mit einem Ursa Rover zu einem sehr teuren Luxuserkundungsschiff gebracht. Der Geschmack von Serif war genauso protzig wie der von seinem Vater, nur die charakterlichen Ideale schienen etwas aufrechter gemäß seinem Ruf. Dass dieses Schiff wenig seiner Sicherheitsbeauftragung diente, sondern mehr seiner persönlichen Befriedigung, sah man ihm ins Gesicht geschrieben. Er empfing uns in einem feinen Anzug, einem Crusader Industries Anzug-Anstecker, so wie frisch polierten Schuhen aus feinstem Leder. Vielmehr wirkte er wie ein Politiker oder diplomatischer Funktionär, als ein niedriger Sektor Abteilungsleiter der Crusader Security. Zudem fragte ich mich immer wieder, warum so wenige Abteilungsleiter Schiffe ihrer eigenen Arbeitgeber nutzten. “Ist die 600er Reihe nicht anfällig für Überfälle? Wir leben ja nicht im Sol- oder Terra-System!”, fragte Liv herausfordernd, sobald sie ihren Helm abnehmen konnte. Serif lachte, nahm sich ein Glas Sekt von einem silbernen Tablett und begegnete Liv mit einem eleganten Senken seines Kopfes: “Liv Fiskaar Frija, so wie man sie kennt. Seid unbesorgt, meine Damen, wir haben den Luftraum bereits abgesichert. Hier wird kein Pirat ohne Einladung erscheinen!” Der Überlebende löste sich von Liv und mir und versicherte uns mit einem zuversichtlichen Blick, dass er nun eigenständig auf zwei Beinen stehen konnte. Sein Bewusstsein schien präsenter als zuvor und er hatte wohl auch unseren gut gekleideten Gastgeber erkannt. Serif bot uns ebenfalls jeweils ein Glas Sekt an, doch wir lehnten ab, mit dem Hintergedanken vielleicht gleich wieder in den Einsatz zu müssen. Liv packte ihre Hand auf die Schulter des Patienten und blickte auf zum musternden Serif: “Einer der Opfer eines Anschlages von vielen. Bisher hat er nicht viel geredet. Aber er nickte zumindest, als wir fragten, ob die Transportmittel der Terroristen als Vanduul Schiffe identifiziert wurden.” Serif nickte: “Wie lautet dein Name?” Die leicht schmerzende Stimme des Patienten war uns allen fremd und neuartig, doch ergriff er tatsächlich sein erstes Wort in unserer Anwesenheit: “Wir wurden von microTech geschickt, einen Außenposten für den Asteroidenabbau zu befestigen. Wir beluden unser Schiff außerdem mit einem neuartigen Gestein, das wir auf dem neuen Außenposten lagern sollten.” “microTech?”, fragte Serif fragwürdig: “Ich weiß von keiner Vereinbarung, dass Herr Alfonz hier irgendeinen Stein ankratzen oder lagern darf?” “Das hat meinen Bruder und mich nicht gekümmert. Es standen viele Credits auf dem Spiel, und wir brauchten die Summe um Schulden ab zu bezahlen. Es hieß nur, microTech würde Komplikationen mit Crusader regeln.” “Und dann wurdet ihr von bösartigen Vanduul ins Kreuzfeuer genommen?” “Es vergingen mehrere Wochen und wir begegneten keinen Menschen! Kein einziges Schiff passierte unseren Arbeitsplatz. Es konnte niemand wissen, dass wir dort arbeiten. Und doch begann jemand gezielt auf uns zu feuern!” “Wegelagerer vielleicht? Außer eure Arbeitsgeber wusste also niemand von eurem Standort?”, Serif blickte verständnislos zu Liv und mir: “Sicher, dass ihr Frijas den Guten hier ausreichend untersucht habt?” Liv verkniff sich jeden Wunsch der Arroganz von Serif entgegenzutreten, da fuhr der Überlebende schon wieder fort: “Unsere Arbeitsgeberin bezahlte uns bereits im voraus. Sie schien uns zu vertrauen, welche Intention hätte sie uns zu verraten, wo wir doch keinen Wert für die hohe Konzernpolitik besitzen. Wir waren einfache Männer, die gegen Bezahlung einen harmlosen Auftrag ausführen sollten!” Der Sektor Leiter versicherte sich, ob sein Mitarbeiter die Aussage protokollierte, und wand sich erneut dem Überlebenden zu: “Beschreiben Sie mir die ¨ Vandu... Ich meine natürlich die Angreifer!? Und wie war nochmal ihr Name?” “Erin Twice, Sohn von Jackson Twice. Mein Bruder hieß Weylin Twice... Und der einzige Angreifer kam in einem klingenartigen Jagdschiff, geschmückt mit Schläuchen und einem unvergesslichen roten Schimmer. Durch das Cockpit erkannten wir nur eine widerliche Fratze, kein Helm, kein Mensch.” “In Ordnung, Herr Twice...”, Michael blickte nachdenklich zu Liv und bemerkte: “Wenn das der Wahrheit entspricht, fiel er auf jeden Fall einem Terroranschlag zum Opfer, der mittlerweile von allen vier Megakonzernen bestätigt wurde. Es wurden hunderte von Bergbauarbeitern, Händlern und sogar Sicherheitsmitarbeiter von solchen Clowns angegriffen.” Serif gab einem anderen Crew-Mitglied das Handzeichen ein Glas Wasser für Herrn Twice zu bringen, woraufhin er ihn bat sich zu setzen: “Herr Twice, wie lautet der Name ihrer Arbeitgeberin?” Twice nahm sein Glas Wasser in Empfang, blickte verzweifelt auf die wellenartig bewegende Wasseroberfläche und antwortete: “Wir kannten ihren Nachnamen nicht. Sie nannte sich nur Elaine, und meinte sie sei die Firmenleitung eines Bergbauforschungsunternehmens namens... J-Tech oder so. Sie empfing uns auf einem Schiff, das diesem hier glich. Nur viel größer und imposanter. Das reichte meinem Bruder und mir, ihr zu glauben! Wer wenn nicht jemand in solch einer Position, könnte sich sonst so ein Schiff leisten!?” Man hörte ein kurzes Zähneknirschen von Serif, der womöglich dieser Beschreibung eine Beleidung entnahm, dennoch nicht darauf antwortete: “Ihr befolgt die Anweisungen einer angeblich sehr seriösen Auftragsgeberin, dessen vollen Namen ihr nicht kennt, und glaubt auf legaler Ebene Arbeit zu verrichten?” Liv warf sich in das Gespräch und konfrontierte verständnislos den Sektor Abteilungsleiter: “Ich kann nicht verstehen, warum Sie den armen Kerl mit diesem Unterton befragen. Offensichtlich ist er ein Opfer von Terroristen geworden und hat ja ihren Konzern nicht beraubt, worauf immer sie hinaus wollen. Sie sollten sich lieber darum kümmern diesen Terror zu beenden! Alles andere ist doch erstmal unwichtig, Serif!” Michael Serif wies seinem Personal an sich um das Wohlergehen des Patienten zu kümmern, während wir ihm in sein Büro folgen sollten. Dort angekommen, wühlte er in seinen Akten herum, bis er uns mehrere Bilder von Männern in Anzügen an die Tischkante warf: “Diese Männer haben alle eins gemeinsam. Sie wurden von anderen Überlebenden solcher Anschläge um Daymar als stellvertretender Sicherheitsdirektor der microTech Protection Force oder Firmenleiter einer mysteriösen TJ-Tech Bergbaufirma bezeichnet. Allerdings ist keiner der hier vorgelegten Herren der stellvertretende Sicherheitsdirektor der microTech Protection Force oder ein Angestellter von TJ-Tech, ein Unternehmen das vor Jahren auf Eis gelegt wurde. Frank Nu, eigentlicher CEO von TJ-Tech, ist bereits verstorben. Sämtliche Forschungsinstitute und Arbeitsgruppen wurden aufgelöst. Diese Firma existiert nur noch auf dem Papier!” Ich begutachtete eines der Bilder genauer und erkannte nur ein unbekanntes Gesicht eines alten Mannes, der eine kleine 15 am Hals tätowiert hatte. Liv musterte ebenfalls einige der Bilder: “Also hängen diese Terroranschläge mit diesen angeblichen micro- und TJ-Tech Mitarbeitern zusammen?” Serif schüttelte seinen Kopf und zeigte auf die ersten beiden Männer: “Die Brüder Manrid und Josh Wilken gehörten zum ehemaligen Aufsichtsrat vom Klescher Rehabilation Center auf Aberdeen bei Hurston. Die darauf folgenden Männer sind UEE Veteranen, die sich 2947 der Kontrollabteilung 15 anschlossen. Die letzten drei Herren waren vor ihrer Führungsposition bei der Kontrollabteilung 15 zudem noch berüchtigte Kopfgeldjäger im Raum Yela und Daymar. Es wird vermutet, dass sie als Triarii-Kommandosöldner tätig waren. Die Kontrollabteilung deines so geliebten Liebhabers, Liv!... Wir wissen, dass es sich bei den Terroranschlägen nicht um echte Vanduul handelt, wie ihr bestimmt auch schon gehört habt. Vielleicht kannst du mir sagen, was die ACS mit der Clownsparade zu tun hat?” Entsetzt stützte Liv sich an die Tischkante und rückte mit ihrem Gesichter mehr aus dem Schatten, sodass ihre Anspannung sichtbar wurde: “Daston wurde von der Kontrollabteilung 15 verraten. Xin Miles und Deger Jil haben mehrere Mordversuche auf meinen Freund ausgeübt. Das ist lange nicht mehr SEINE Kontrollabteilung, abgesehen davon dass die ACS längst Geschichte ist!” “Wie dem auch sei. Bis auf diese fünf Männer hier...”, Serif schob sechs weitere Bilder unter die anderen und tippte auf eines, wo ein weibliches Gesicht abgebildet wurde:“...und diese Frau. Vermutlich unsere mysteriöse Elaine, die sich mit den anderen fünf eine unbekannte Vergangenheit teilt, welche nicht auf die A.M.C.Y Combat Security zurückführbar ist. Ganz gleich woher diese Terrorwelle herrührt, wie wir sie bereits in allen vier Planetensystemen erleben konnten, wird sie in diesem Zusammenhang gezielt ausgeführt. Die Zielgruppe besitzt zu viele Gemeinsamkeiten und ich vermute, dass jemand diesen Vanduul-Trend ausnutzt, um bei seinen kriminellen Machenschaften nicht aufzufallen!” Ohne den Anschluss zu verlieren ergriff ich ebenfalls das Wort: “Das heißt all der Terror hat vermutlich etwas mit dieser sogenannten Kontrollabteilung 15 zu tun?” Er war verwundert, dass ich ebenfalls meinte, auf die ACS Vergangenheit eingehen zu wollen, aber antwortete mit ruhigem Ton: “Nein, nicht alle Vorfälle. Bei den ganzen Aussagen und Bildern hier könnte man das denken. Nur überwiegt die Summe anderer Geschichten und Aussagen, und das wie schon gesagt nicht nur hier im Crusader System, sondern in ganz Stanton... Vielmehr vermute ich, dass jemand diese Terroranschläge ausnutzt, um unbemerkt Spuren oder ordnungswidrige Bestreben zu vertuschen oder durchzusetzen. Diese kleine Ballung an Vorfällen mit jener düsteren Gemeinsamkeit fällt in den Zuständigkeitsbereich der microTech Protection Force. Wir haben schon nach einen Austausch mit dem dortigen Sicherheitsdirektor angefragt, stehen aber auf der Warteliste. Die Dringlichkeit sei geringer, als wir es betonen würden, so hieß es jedenfalls in der Antwort von Thane McMarshall. Und der ganze Fall wird früher oder später sowieso die Advocacy übernehmen, wenn sie die Anschlagreihe zuspitzt und weiter häuft.” Meine Chefin schien bei dem Wort Advocacy besonders aufzuhorchen: “Ganz sicher wird die Advocacy besseres zu tun haben, so wie die Menschen die etwas bewegen können, immer zu beschäftigt sind, wenn sie gebraucht werden!” Liv entfernte sich von der Tischkante, richtete sich auf und verabschiedete sich mit einem unfreundlichen Unterton: “Wir werden jetzt auch gebraucht! Nur lassen wir niemanden warten! Auch immer was da vor sich geht, Daston ist weg und wird damit nichts zu tun haben. Und selbst wenn er nicht weg wäre, würde er alles tun, was in seiner Macht stände, diese Terroristen zur Strecke bringen zu lassen... Einen angenehmen Tag noch, Serif!” An ihrem Unterton hörte man, dass sie die Gesellschaft von Serif verlassen wollte. Es war ein persönlicher Konflikt, der sie abweisend wirken ließ. Sie unterstellte Serif zudem immer wieder, dass die Crusader Security nicht genügend oder hilfreiche Unterstützung in diesem Sektor leisten würde. Liv stürmte feindselig aus dem Büro, hingegen der Sektor Leiter mir noch eine letzte Bemerkung zusprach: “Tjarva, richtig? Hör zu, wenn ihr mehr Überlebende findet oder retten könnt, dann bringt sie bitte zu mir. Und falls ihr auf GrimHex doch etwas mitbekommt, lasst es mich wissen. Wir wollen doch beide, dass das alles ein Ende nimmt.”


 

[Viertes Kapitel: Das Geisterschiff]

Der Riese aus Gas wirkte jedes Mal wie ein brennendes Gemälde, am anderen Ende eines dunklen Kellers. Das All, ein Ort ohne Nacht und Tag, ein Ort in der die Natur keine Stimme besitzt, sondern still auf dem Bett aus Sternen ihre Kraft demonstriert und damit um sich schlägt. Wir arbeiteten in einem Rhythmus von zehn Stunden. Solange waren wir mindestens unterwegs, und solange rasteten wir meistens dazwischen. Wobei wir das Rasten oft abgebrochen haben oder am Ort der Rast erste Hilfe leisteten. Es kam auch manchmal vor, dass wir mehrere Stunden keinen Hilferuf bekamen oder wir keinen Unfall miterlebten. Solche Tage waren selten, so ein Tag wie dieser. Nachdem Liv sich von der Begegnung mit Michael Serif abgeregt hatte und einsah, dass seine Verschwörungstheorie durchaus ihre Berichtigungen fand, ruhte sie sich in ihrem Bett an Bord unseres Schiffes aus. Wir waren bereits zwei Stunden von GrimHex entfernt und trieben einsatzbereit entlang des Asteroidengürtels. Synni, Vanessa und ich bauten uns einen Spieltisch zwischen den Krankenbetten auf und versuchten uns in einem von Vanessas Vater selbst kreierten Kartenspiel namens Bavou. Die selbstsichere Gewinnerin war wie immer Synni, die mehr Glück als Verstand hatte. Und das sowohl im Spiel, als auch bei Männern.


Vanessa hatte sich die Wochen gut bei uns eingelebt und lernte schnell. Ihr Vater Derek wurde mit seinem Geschäft nicht reich, und ihm fehlten die Mittel sie beruflich oder akademisch in Orison unterzubekommen. Dabei war sie durchaus nicht auf den Kopf gefallen und hätte uns alle in den Schatten stellen können, wenn man ihr nur die Chance geben konnte. Es war vor allem ihr Wunsch eine Frija zu werden, um nicht Getränkekisten von Station zu Außenposten und von Außenposten zu Station zu schleppen. “Sagt mal, Mädels... Habt ihr die Stadt in den Wolken schon besucht?”, fragte Vanessa neugierig, während sie einen neuen Satz Karten austeilte. Synni lachte, hob die Ecke ihrer zugeteilten Karten an, und antwortete: “Gewiss! Unsere Familien leben dort!” “Ach genau, da war ja was. Schiffsbauer oder?” “Sozusagen.”, Synni zog die erste Karte aus ihrer Hand und warf sie in die Mitte: “Früher konnte man unsere Familien an ihren Berufen erkennen! Die Fiskaar waren kreative Schrottsammler. Ihre Kunst aus alt neu zu schaffen, machte die Blutslinie reich. Sie waren auch talentierte Techniker und konnten Schiffe modifizieren. Die Ulfur und Hatrkarl sind seit Jahrhunderten in der Privatmilitärbranche unterwegs. Grimmige Söldner, die nach ihrer Dienstzeit im Militär nicht aufhören wollten in den Krieg zu ziehen und sesshaft zu werden. Und dann ist da noch meine Familie. Der Clan der Scathir! Seitdem von unserer Familie dokumentiert erzählt wird, waren sie immer im Bergbaugeschäft unterwegs. Sie waren charismatische Händler und ambitionierte Unternehmer. Es war meine Blutslinie die vor vielen vielen Jahren unsere Clangemeinschaft Nidavellir ins Leben rief.” Vanessa strich sich die Haare aus dem Nacken, musterte verzweifelt ihre Handkarten und entschied sich neu zu ziehen: “Und die ganzen Summen an Credits die eure Vorfahren verdienten, habt ihr dazu genutzt Nidavellir Housing Exchange zu errichten?” Die Karten die mir zugeteilt wurden waren grausam. Ich hätte theoretisch ebenfalls eine neue Karte ziehen sollen, um meine Chancen zu verbessern. Damit ich mich aber nicht gleich am Anfang verraten würde, entschied ich mich eine meiner Handkarten loszuwerden: “Nida Hex, wie unsere Familie es nannte, wurde aus dem Reichtümern unserer Ahnen erbaut. Der Asteroid selbst war bereits im Besitz von Synnis Familie, und als GrimHex vom Abschaum des Systems überrannt wurde, entschieden sich die Familienclans von Nidavellir nach Nida Hex umzusiedeln.” Synni bejubelte sich selbst, als sie nicht überraschend alle Karten auf den Tisch legte und ihren Sieg verkündete:“Bavou! Gewonnen!... Aber wie du weißt ist das von Tjarva benannte Nida Hex zerstört worden, weshalb wir am Ende nach Orison umsiedelten. Alles wegen Rim und seiner Asteroid Mining Corporation of Yela!” Kaum sprach Synni das letzte Wort, erblickte sie erschrocken Liv hinter ihr stehen: “Alles wegen Deger Jil und dem Machthunger der Nine-Tails! Die A.M.C.Y hätte das größte Bergbaumonopol im Crusadersystem werden können, wenn Daston seine Freunde und Feinde besser auseinander halten hätte können.” “Wir wussten nicht, dass du schon wach bist, Liv...”, erwiderte ich entschärfend:“Willst du dich nicht setzen? Wir spielen Bavou.” Liv schüttelte den Kopf und richtete sich wieder zum Cockpit: “Ihr müsst euch etwas ansehen!” Wir erhoben uns vom Tisch und folgten Liv ins Cockpit, wo wir eine riesige Argo Mole zwischen den Asteroiden erblickten.


Sie war selbst nicht beleuchtet, nur der Lichtkegel unseres Schiffes erblickte das finstere Schiff. Es wirkte fast wie ein Geisterschiff, zudem erkannten wir einige Schäden in der Nähe des Fahrstuhls, wie auch am Heck. “Vanessa, überprüfe den Sauerstoffgehalt unserer Raumanzüge!”, Liv wies auf den Storage Schrank hinter ihr und blickte dann zu Synni und mir: “Ich habe das Schiff bereits kontaktiert. Es kam keine Antwort... Aber der Vitalscan bestätigte Leben an Bord des Schiffes.” Vielleicht schlief die gesamte Crew, was sehr ungewöhnlich wäre. Gerade hier in dieser Gefahrenzone war es sowieso sehr ungewöhnlich Bergbauschiffe ohne Begleitschutz vorzufinden. “Konntest du die Seriennummer des Schiffes identifizieren?”, fragte ich neugierig. Liv zog sich auf den Pilotensitz, schaute kurz zu uns hinunter, und kontaktierte erneut das mysteriöse Geisterschiff: “Kontakt Alpha, hier Liv Frija der Hilfsorganisation FREYA. Bitte Kommen!” Keine Antwort, die Stille hielt sich einige Augenblicke, bis Liv sich erneut mit dem Schiff verband: “Kontakt Alpha, hier Liv Frija an Bord der Vana. Sie haben zwei losgelöste Schläuche am Heck ihres Schiffes! Brauchen Sie Hilfe? Bitte Kommen!” Erneute Stille. Liv versuchte das Cockpit des Schiffes zu beleuchten, um eventuelle Lebensanzeichen zu registrieren, konnte aber nichts erkennen. Sie lehnte sich zurück in ihren Sitz, biss sich nachdenklich auf die Lippen und sprach zu ihrer Crew: “Na gut. Synni, Tjarva, ihr bleibt an Bord des Schiffes. Vanessa und ich gehen...” “Hallo, ist da jemand!?”, erklang eine junge männliche Stimme aus dem Funkkanal. Liv riss das Funkgerät an ihren Mund und fokussierte sich auf das Cockpit der Argo Mole: “Ja! Hier Liv Frija an Bord der Vana. Wer spricht da?” “Quinn Parrish! Quartiermeister der Achilles B von TJ-Tech! Ich musste den Sprachkanal überbrücken, um aus dem Turm Kontakt aufnehmen zu können.” “Quinn, sind sie verletzt? Geht es ihrer Crew gut? Was ist passiert?” “Ja, ich kann nichts mehr sehen. Ich weiß nicht warum, aber ich kann nichts sehen!” Synni rannte zu unserem Cockpitfenster und das Schiff genauer zu begutachten. Sie erwähnte, dass er vielleicht nichts sehen könne, aufgrund der fehlenden Beleuchtung. Liv scannte das Schiff erneut und antwortete den Unbekannten: “Sie können rein gar nichts mehr sehen? Oder fehlt dem Schiff der Strom?” “Gar nichts mehr...”, er klang verletzt und erschöpft: “Alle anderen sind tot.” Eine nicht mehr lebende Crew und ein erblindeter Überlebender hörten sich nach einem gefährlichen Unfall an. Irgendwas an Bord könnte überhitzt oder fehlerhaft programmiert gewesen sein, sodass eventuelle Schäden die Crew in den Tod gerissen hätte und seine Augen von irgendetwas zu stark geblendet wurden. Ich lehnte mich zu Liv hoch: “Frag ihn, ob es brennt! Frag ihn ob irgendwas explodiert ist!” “Herr Parrish, können sie mir sagen was mit ihrer Crew geschehen ist?”, Liv wimmelte mich konzentriert ab: “Hatten sie einen Unfall?” “Nein!... Nein, wir... Wir sind Bergbauer! Wir haben auf Clio für TJ-Tech Enosite abgebaut.” “Eno was?”, sie wandte sich wieder zu Synni und mir: “Könnt ihr in der Datenbank nachschauen, was TJ-Tech für eine Firma ist, und was für Ressourcen Enosite sind? Serif hatte da doch mal was erwähnt, bzgl. dieser Techfirma! Danke!” Synni und ich verbanden unsere MobiGläser mit der Red und durchsuchten jegliche Einträge, die Liv beim Aufbereiten des Schiffes einst hochgeladen hatte. Nur konnte er mit dem Begriff Enosite nichts anfangen. Allerdings fand Synni die Firma TJ-Tech. “Tjarva, hier! TJ-Tech... Trojan Journey Technologies ist ein im Juni 2950 gegründetes Forschungsinstitut auf dem Mond Clio, bei microTech. Es wurde kurz darauf auch als eigenständige Bergbauforschungsfirma erweitert, die sich vermutlich mit der Optimierung in der Bergbautechnologie auseinandersetzten. Wegen dem Tech, weißt du?... Also gibt es die scheinbar seit diesem Jahr!... Aber hier steht keine Adresse und auch nicht womit sich ihre Forschung genau beschäftigt hatte. Inhaber ist Frank Nu, ehemaliger Mitarbeiter der Forschungsgruppe SVART von microTech Corporations.”, Synni schaut verwirrt zu mir: “Gut, der Eintrag scheint erst kürzlich in unserer Datenbank hochgeladen worden zu sein. Aber das ist so... nichts aussagend!?”


Die junge Männerstimme ertönte erneut über den Sprachkanal: “Elaine sagte, bringt die Enosite nach New Babbage. Wir verließen Clio, um microTech anzufliegen. Aber irgendwas überschrieb unsere Sprungkoordinaten und schickte uns in einem Ruck hierher. Wir kratzten einen kleinen Asteroiden und alle Systeme schienen nicht mehr zu funktionieren. Nach einigen Stunden fingen die Männer auf der Brücke an zu schreien, sie könnten nichts mehr sehen, sie hätten Schmerzen. So wie ich jetzt auch... Erst verriegelten sie die Tür zur Brücke, dann öffneten sie die Schleuse wieder nach 48 Stunden. Es entstand Chaos auf dem Schiff, alle liefen umher, die anderen fingen ebenfalls an ihre Sehkraft zu verlieren. Ich fand den Weg zum Traktorstrahlturm und habe dort die Schreie der Männer abgewartet.” Die Gesichter von Liv, Synni und Vanessa wirkten zum Teil angespannt, zum anderen verstört von den Worten des Mannes. Mir ging es ähnlich, denn mein Bauchgefühl sagte mir, wir sollten dieses Schiff nicht betreten. Unsere Anführerin fasste sich an den Kopf und erblickte zum ersten Mal Silhouetten von Menschen im Cockpit. Nur standen sie nicht am Fenster wie erhofft, sondern lagen auf der Armatur: “Herr Parrish... Quinn richtig? Bitte, fahren sie fort.” “Die Schreie verstummten nach einiger Zeit und ich stieg aus dem Turm aus, um nach der Crew zu sehen. Da waren diese leuchtenden Funken, sie flogen in der Luft umher. Es stellte sich heraus, dass sie immer näher an mich herankamen, und dann begann dieses fürchterliche Brennen unter den Augenlidern. Meine Muskeln fingen an zu zittern und ich bekam kaum noch Luft. Ich rannte zurück zum Turm, verschloss die Tür und bemerkte, dass ich mittlerweile gar nichts mehr sehen konnte. Das Brennen hörte auf und das Zittern ließ nach. Aber das Atmen fällt mir immer schwerer!”, man hörte wie etwas dumpf auf Metall schlug, als seine kränkelnde Stimme aufschrie: “Ah!... Ich kann nichts mehr sehen. Bitte helft mir!” Liv schien für einen Augenblick in Gedanken versunken zu sein, antwortete dann aber mit ruhiger Stimme: “Okay Quinn! Bleib dort wo du bist! Gehe nicht durch die Tür! Wir holen dich da raus! Ende!”



 

[Fünftes Kapitel: Der Tod trägt einen Namen]

“Was machst du da?”, konfrontierte Liv mich empört: “Du bleibst mit Synni an Bord des Schiffes!” “Du willst echt Vanessa mitnehmen?”, ich richtete mich kurz zum frischen Besatzungsmitglied: “Nichts gegen dich, Vani, aber da ist sonst was an Bord dieses Schiffes! Und Vanessa ist ein Frischling, sie weiß doch gar nicht, was sie machen soll!” Liv stellte ihren Helm auf dem Krankenbett ab: “Tjarva, ich brauche zwei ausgebildete Kräfte an Bord der Vana! Wenn Vanessa und mir etwas zustoßen sollte, dann müssen wir nicht nur da raus geholt werden, sondern irgendjemand muss uns auch von hier weg bringen. Vanessa ist nun mal kein Pilot! Ihr beide wisst wie man die Red bedient!” Auch wenn ich verstehen konnte, weshalb Liv sich auf diese Art und Weise absichern wollte, war ich mit der Entscheidung unzufrieden. Immerhin sorgte ich mich auch um Vanessa, die aufgrund eines Fuchsfehlers schnell den Überblick verlieren konnte, und das selbe Schicksal wie die Besatzung des Geisterschiffes teilen müsste. Aufgrund einer konkreten Vermutung von Liv, sollten Synni und ich unsere Seuchenschutzanzüge bereithalten. Vanessa und Liv quälten sich mit ihrem Undersuit und Helm bereits in die abweisenden Raum- und Seuchenschutzüberzüge in quitsch-gelben Leuchtton. Zudem bereitete Liv für die beiden zwei gefechtsbereite SMG’s vor, um mögliche Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Außerdem diente die Bewaffnung als zusätzliche Lichtquelle, da wir mit der Feldleuchte unabhängig von unserer Helmlampe weitere Flächen ins Licht stellen konnten. Die beiden aktivierten eine Helmkamera, um sich mit den Monitoren des Cockpits zu verbinden, sodass Synni und ich die beiden beobachten konnten. Von den Pilotensitzen aus bauten wir dann Sichtkontakt zu unseren Mitkameradinnen auf, die sich “schwimmend”, wie die Jungs von TYR es immer bezeichneten, auf das Geisterschiff zu bewegten. Mir gefroren die Adern, als ich sah, wie Liv vorsichtig den Fahrstuhl des Schiffes rief und mit Vanessa im Schatten dieser Argo Mole verschwand. Synni richtete die Lichter auf die Fensterscheiben der Traktorstrahltürme, sowie auf das Cockpit. Frustriert versuchte sie die Bildübertragung der Helmkamera zu optimieren, damit wir sehen konnten, was Vanessa und Liv sahen. Es war sehr verzerrt, und mehr als Finsternis, kleine grüne Funken und das Licht der Waffenaufsätze war nicht zu erkennen. “Tjarva, Synni? Seht ihr das?”, ertönte eine vertraute Stimme im Funkkanal. Ich griff nach dem Funkmikrofon und blickte auf die hellen Lichter der gr¨unen Funken: “Ja, Liv! Wir sehen die Lichtquellen auch!” “Diese giftig grüne Farbe wirkt bedrohlich! Es scheint sich von dem hier herumliegenden Gesteinen abzusondern. Gehen wir von einer unbekannten biologischen Bedrohung aus! Zwängt euch unbedingt in die Seuchenschutzanzüge!” Ich hatte immer mehr die Befürchtung, dass wir es eventuell mit einer gefährlichen außerirdischen Krankheit zu tun haben. Die Furcht wuchs in meinen angespannten Muskeln, meine Ohren spitzten sich in der Hoffnung erfolgreiche Nachricht aus dem Funkkanal zu empfangen. Die Argo Mole wirkte riesig, mächtig und doch so verlassen zwischen den Asteroiden. Es war für mich unvorstellbar, wie all die Besatzungsmitglieder nacheinander unter Schmerzen starben. Auch immer was sie transportierten, es war nicht gutartig. Synni lehnte sich erwartungsvoll an die Konsole und tippte mehrmals mit ihrem Zeigefinger an die Stuhllehne: “Was dauert das denn so lange?” “Gedulde Dich, Synni! Liv und Vani schaffen das!” Kaum fielen mir diese Worte von den Lippen, öffnete sich der Fahrstuhl erneut, und unsere beiden Mitkameradinnen zogen einen in Raumanzug- und Schutzfolie eingepackten Mann aus dem Geisterschiff. Vanessa, schwer bepackt mit Rettungstaschen und den Beinen des Patienten unter dem Arm, betrat als Erste das Schiff. Das Cockpit war verschlossen, Synni und ich konnten nur durch ein kleines schmales Fenster zuschauen, wie Liv und Vanessa versuchten den Mann am Leben zu halten, und Proben unter seinen Augenlidern entnahmen.


Es vergingen weitere fünf Stunden an Bord der Vana, bis Liv sich unserer Tür näherte: “Er ist stabilisiert! Allerdings wies er zahlreiche allergische Reaktionen auf eine Substanz auf, die wir nicht kennen. Die Datenbank kann sie noch nicht einordnen und wir brauchen dafür ein richtiges Seuchenschutzteam von Crusader Industries. Schließt endlich eure Schutzanzüge und bringt uns in die Nähe von Serif’s Koordinationszentrum. Er muss uns helfen und beide Schiffe unter Quarantäne stellen!” Wir nahmen Kurs auf den letzten Standort der Serif Flotte, die uns bei der Ankunft ein Seuchenschutzteam an Bord entsandten. Wir wurden für 48 Stunden lang in separaten Kammern medizinisch untersucht, beobachtet und gereinigt. Woraufhin wir uns in der Lobby an Bord des Schiffes von Serif wiedersahen und in Wolldecken eingewickelt auf dem Sofa eine heiße Tasse Schokolade serviert bekamen. Liv sah müde und gestresst aus. Sie war wieder tief in Gedanken versunken, während Synnis Augen an den Lippen eines Sicherheitsbeamten von Crusader Security haften blieben. Vanessa stellte ihre Tasse auf den Tisch und nahm ein Dokument in Empfang, welches ihr eines von Serif Mitarbeitern überreichte: “Leute, seht her!” Sie rückte näher an Liv und hielt das Dokument über den Tisch: “Quinn hat überlebt, allerdings gibt es keine Chance für die Rückgewinnung seiner Sehfähigkeit. Mehrere Lungen- und Herzbeschädigungen aufgrund aggressivem organischem Befall durch E6. Sie nennen die Ursache E6 ohne weitere Angaben?” “E6?”, fragte ich erschrocken: “Die Nummerierung weist doch auf fünf weitere solcher Ursachen hin! Die müssten dann doch bereits bekannt sein!” Synni nahm die Dokumente aus Vanessas Hand und musterte das zweite Blatt: “Ah! Quinn’s Aussage... Die an Bord transportierten Enositen seien Eigentum von TJ-Tech’s Auftragsgeberin Elaine V. Die THIAGO, eine Bergbaulobby aus dem microTech System, finanzierte die Forschungsarbeiten von TJ-Tech auf dem Mond Clio. Die dort gefundenen Fremdgesteine sollten zur Begutachtung nach New Babbage gebracht werden. Weitere Informationen zur Auftragsgeberin nicht vorhanden.” Schwere Schritte weckten uns aus unseren verwirrten Gedanken, als wir Michael Serif am anderen Ende der Lobby auf uns zu kommen sahen: “FREYA! Gut, dass ihr wohl auf seid!” Liv erhob sich vom Sofa und blickte Serif fordernd an: “Habt ihr davon gewusst!? Von dieser E-Erkrankung oder Viren, wie und was auch immer!?” “Viren... So wirklich wissen wir nicht, was das ist! Es greift das Immunsystem an und ist unserer medizinischen Technologie weitaus überlegen. Wir konnten den Patienten stabilisieren. Er lebt und atmet, mit schweren Folgen. Aber es ist nicht absehbar, ob das auch so bleibt.”, Serif zog einen Sitzhocker an sich heran und lehnte sich leicht an die Kante: “Aber ja, Liv. Wir wussten von der E-Erkrankung, sowie auch von anderen Variationen, mit ähnlicher Folge. Allesamt mysteriös auftauchend hier im Crusader System, seitdem auch der Vanduul Terror seinen Kreuzzug führt. Daher meine Frage... Haben Daston Rim oder Überbleibsel der ACS etwas damit zu tun? ¨ Irgendwelche bösartigen Leichen im Keller, die auf eine biologische Waffenforschung hinweisen?” Mit angegriffenem Gesichtsausdruck näherte sich Liv den Sicherheitsbeauftragen und begegnete ihn fast Stirn an Stirn: “Was fällt dir ein, Michael!?” Sie schaffte es nicht weitere Worte zu finden, griff nach ihrer Jacke und stürmte aus der Lobby. Synni und Vanessa stützten sich vom Sofa ab und folgten ihr auf die Vana. Erschöpft lehnte auch ich mich über die Sofakante und richtete mich auf die Beine, um die Lobby zu verlassen, da überkam mich die Neugier, wie es unseren ehemaligen Patienten Twice ging: “Serif?” “Sprich, Tjarva!” “Auch immer was da zwischen Liv und ihnen disharmonisch wuchs, sollte offen geklärt werden. Wir könnten alle voneinander in kooperativer Kommunikation profitieren. Und noch was... Also... Herr Twice, geht es ihm gut?” “Gewiss.”, er rückte den Hocker wieder an seine Ursprungsstelle und spielte mit seinem Jackenärmel:“Allerdings... Seiner Psyche geht es nicht gut. Er hatte sich hier mehrmals betrunken und ist nun auf dem Weg nach GrimHex. Ich denke man sollte nach ihm sehen.”



 

[Sechstes Kapitel: Ein Lied mit hohen und tiefen Tönen]

Dort erblickte ich ihn sitzend an der Theke der Old 38. Seine Augen trüb, geschwächt, so wie seine Seele. Jackson Twice, der Mann dessen Bruder am Vanduul Terror gestorben ist, sah sich nun mit einer perspektivlosen Zukunft konfrontiert. Zwischen all den anderen verloren Seelen auf GrimHex, sank er tief in ein Meer der Verzweiflung. Er war immer noch ein Patient von FREYA, so dachte ich, und war motiviert ihn nicht aufzugeben. Ich setzte mich zu ihn an den Tresen, nahm seine Hand und blickte ihn tief in die Augen: “Du bist nicht allein.” Ein leichtes Blinzeln, ein sanftes Kneifen auf seinen Lippen, mehr konnte ich nicht von ihm vernehmen. Kein Wort, kein Atem, keine antwortenden Augen, sondern leblos wirkte er auf mich. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen, weshalb ich seinen Stuhl an den meinen näher rückte: “Hör mir zu, Jackson!”. Unerwartet reagierte er mit großen Augen, erschrocken von dem entschlossenen Ruck ihn näher an mir haben zu wollen: “DU bist nicht allein! Ich bin für dich da, wenn du das brauchst! Vielleicht weiß ich es nicht wie es ist einen Bruder zu verlieren, aber doch kenne ich diesen Schmerz in deinen Augen! Ich sehe ihn jeden Tag! An dem Mann, dort vor der Old 38 der in einem Meer aus Smoltz schläft! In den Augen von Bija, der Gemeinschaftslehrerin, die für die Kinder hier auf GrimHex Acht und Sorge trägt! Und selbst jene Kinder, die in dieser Welt hier aufwachsen... Alle besitzen sie diesen Schmerz! Jeder hier hat wen verloren oder lebt in der Angst, jemanden bald zu verlieren! Menschen die hier her kommen, ohne nach Reichtum und Macht im Schatten zu streben, sind Seelen mit solchen Schmerzen! Das ist der Grund dafür, dass ich eine Frija bin! Der Grund, warum ich dich hier nicht sitzen lasse, ohne wenigstens ein Lächeln von dir gesehen zu haben! Lachend darüber wie irrsinnig und verzweifelt ich hier versuche, einen Wildfremden beizustehen. Aber das ist meine Berufung! Das ist FREYA! Und deshalb wirst du mich hier nicht los!” Der Barkeeper lehnte sich gespannt gegen die Theke, sowie die Männer um uns, die kurz inne hielten und dann zu mir aufblickten. Jackson stellte seine Flasche ab und musterte mein Gesicht: “Tjarva war dein Name oder?” “Tjarva Frija, Tochter des Ulfur Clans. Ja!” “Ich danke dir... wirklich! Und auch, dass ihr mein Leben gerettet habt! Aber ich werde klar kommen... Nach meiner Trauer, werde ich aufhören zu schweigen und nur noch schreien. Habe ich geschrien, werde ich weinen, und am Ende wieder schweigen. Bis ich zum Schluss wieder spreche, atme und versuche zu leben. Auch wenn das nicht mehr so geht wie vorher. Aber ich werde f¨ur Weylin weiterleben und f¨ur das gute Herz von Menschen wie dir, Tjarva... Doch brauche ich dich daf¨ur nicht an meiner Seite. Du musst nicht für mich da sein. Sei für jene da, die nach deiner Hilfe rufen! Höre nicht auf eine Frija zu sein. Du hast mich schon einmal gerettet, und heute hast du es erneut...”, seine Worte reichten bis zu meinem Herzschlag. Ich erkannte wie wertvoll meine Arbeit und meine Intention für die Menschen in dieser Welt war. Wie sehr ich doch an meinen Traum hing, anderen zu helfen, und nie wirklich darauf achtete, wen ich schon alles geholfen habe. Dass meine Taten Erfolg ernteten und ich mich das allererste Mal wirklich wie eine Frija, eine Notfallretterin aus GrimHex sah. Jackson Twice stärkte mein Selbstbewusstsein und meinen Wunsch FREYA niemals aufzugeben.


Aufrecht, mit einem Lächeln, stieg ich in ein Shuttle am Hangar ein, das mich zur hinteren Rampe unseres Schiffes brachte. Ich hatte ein gutes Gefühl zukünftige Einsätze mit FREYA zu fliegen und der unbekannten Krankheit E6 auf den Grund zu gehen. Als ich die Rampe geschlossen habe und den Helm absetzte, verband sich mein mobiGlas mit der Datenbank des Schiffes. Mich erreichte eine ungeöffnete Nachricht aus microTech an Liv. Nur warum war die Nachricht drei Stunden lang ungeöffnet, wo Liv doch die ganze Zeit im Cockpit nächtigte. Neugierig spielte ich die Nachricht ab: “Liv Fiskaar Frija, hier Kjeld Stormarnson. Ylvi war hier und hatte auf dein Geheiß Nachforschungen nach einer gewissen Elaine in Zusammenhang mit TJ-Tech gefragt. Dank der microTech Security und Protection Force, konnten wir die Suche eingrenzen und Hinweise auf eine spurlos verschwundene Mathematikstudentin Elaine Vanil sammeln. Ihr Vater hatte wohl vor einigen Jahren eine Optimierungsmöglichkeit für das mobiGlas mit dem Codenamen TROJAN TECHNOLOGY vorgetragen, die vom Innovationsbüro microTech abgewiesen wurde. Ein Tag später fand man Herrn Vanil tot in seiner Werkstatt vor, woraufhin seine Frau den Megakonzern des Mordes anschuldigte. Aufgrund randalierender und terrorisierender Reaktionen von Frau Vanil, wurde Elaine’s Mutter festgenommen und aufgrund einer Morddrohung in eine Klinische Anstalt eingewiesen. Wenige Tage später, verschwand die sehr talentierte Mathematikstudentin Vanil aus ihrem Studentenwohnheim und tauchte unter. Sie gilt seither als spurlos verschwunden und ist auch nicht als Mitarbeiterin von TJ-Tech eingetragen. Allerdings ist Frank NU, CEO der Firma die sich wenige Wochen nach dem Tod von Herrn Vanil im Auftrag von Professor Mobi gegründet hatte, ebenfalls bereits verstorben. Irgendjemand hatte das Datum in der Datenbank verändert, sodass man glauben könnte, TJ-Tech hätte sich erst dieses Jahr gegründet. Auffällig ist die Namensgebung dieser Bergbauforschungsfirma, die in meinen Augen eindeutige Anspielungen auf den Tod von Herrn Vanil vorweist. Daher wom¨oglich die mysteriöse Daten¨anderung. Sofern seine Tochter noch lebt und diese Firma infiltriert hat, könnten TJ-Tech Schiffe und Fracht in und um GrimHex mit einer Verschwörung gegen microTech zu tun haben. Ich bin mir sicher, diese Elaine hätte jeden Grund dem Megakonzern Schaden anzurichten. Wir sollten uns da raus halten, wir holen uns damit nur mehr Aufsichtsbeh¨orden und sonst wen nach GrimHex, und werden am Ende von den NineTails für den unerw¨unschten Besuch beschuldigt. Aber natürlich lasse ich euch wissen, wenn ich mehr weiß! Auch McMarshall wird sich dieser Seltsamkeit annehmen, versprochen!” Elaine Vanil... Was diese mysteriöse TJ-Tech Auftragsgeberin wohl im Schilde gegen microTech führte und sogar über diese fremde Krankheit wusste! Da steckte doch mehr dahinter! Liv musste von der Nachricht erfahren, vermutlich ist sie so erschöpft gewesen, dass sie immer noch schläft. Ich suchte nach dem kalten Airlock Regler, der Luftschleuse vom Cargo Bereich zur Med Bay trennte, doch zog ich verzweifelt. Der Regler ließ sich nicht bewegen, die Tür war abgeschlossen. Verwundert blickte ich durch das schmale Fenster und erkannte Vanessa auf einem der Betten sitzen. Sie lehnte ihre Stirn auf ihre Handballen und wirkte gekränkt. Ist vielleicht etwas mit ihrem Vater geschehen? Vielleicht hatte sie sich auch mit Synni oder Liv über irgendwas gestritten, was schnell wieder vergehen würde. Doch dann erblickten meine Augen zwei Körper auf den einzelnen Krankenbetten liegen. Die langen Haare und vertraute Bekleidung ließen meinen Atem stillstehen. Waren das Liv und Synni die dort auf den Krankenbetten lagen? Auf dem Monitor konnte ich ein leuchtendes rotes Lämpchen blinken sehen, was meist anzeigte, dass die Vitalsignale unter die allgemeine Lebensfähigkeit fielen. “Vani? Was...”, ich schlug erschrocken und verängstigt gegen die Scheibe, woraufhin Vanessa zu mir hoch blickte: “Vanessa, mach die Schleuse auf! Was ist mit den beiden!?” Sie zog sich am oberen Bett hoch, bewegte sich mit schwerem und vorsichtigen Blick zur Luftschleuse und presste ihre Handflächen gegen das Fenster: “Tjarva? Bist du das?” “Vani! Mach die Tür auf, bitte!” “Das geht nicht... Es... Es tut mir leid!”, Vanessa neigte ihren Kopf aus dem Schatten und mein Herz pochte vor Schock und Schrecken. Ihre Augen waren schwarz unterlaufen, die Lider befallen von giftgrünem Staub und einer grauen Hautfarbe, die sich langsam über die Wange ausbreitete. Ich wollte es nicht wahr haben, schritt daher einen kleinen Schritt von der Tür und erinnerte mich an das Gesicht von Quinn aus dem Geisterschiff. Es sah so aus, als wäre sie mit der selben Reaktion befallen. Entschlossen und voller Verlustangst stieß ich erneut gegen die Tür und zog am Regler: “Vanessa, ¨offne endlich diese blutige Tür!” Das Ruckeln und Ziehen schien nicht zu helfen, sodass ich atemlos mit der Stirn gegen das Fenster fiel: “Warum öffnest du nicht... Was ist passiert, Vanessa!?” Vanessa ging schwerfällig auf die Knie, hielt sich irgendwie noch an der Luftschleuse fest und blickte zum Boden: “In meinem Rettungskasten befanden sich Reste der...”. Erste Tränen rannten über ihre Wangen, sodass ihre Hände zum Gesicht fuhren: “Liv und Synni leben nicht mehr...”


Ein ziehend starker Zug schien meinen Kopf zusammenzudrücken, mein Herz brannte sich aus der Brust, sodass mein ganzer Körper einen Sturm erfuhr. So viele Gefühle wie in mir aufstiegen, konnte ich nicht standhalten. Auch ich verlor erste Tränen und ballte meine Hände zu einer Faust: “Vanessa, mach die Tür auf... Bitte!” Verzweifelt hingen sich meine Gedanken an der Hoffnung, meinen besten Freundinnen irgendwie noch helfen zu können. Vanessa richtete sich endgültig auf, rieb sich behutsam die Augen und blickte zum Cockpitdurchgang. “Tjarva... Du warst mir immer eine gute Freundin und Begleiterin! Als Frija und davor... Aber du musst hier jetzt verschwinden...”, sie lehnte sich von der Tür und griff nach Livs mobiGlas, um die Zugangsdaten der Vana auf ihre Datenbank zu überschreiben: “Ich werde dieses Schiff und E6 vernichten!” Das konnte sie nicht machen! All das war mein Leben und ich würde wenn dann meine letzten Atemzüge nutzen wollen, meine Kameraden zu retten: “Vanessa!!! Lass mich durch! Ich kann helfen...” Ich trat mit meinem Stiefel gegen die Wand, woraufhin ein braunes Paket von einer Cargobox zu Boden fiel. Die Aufschrift hieß “An Synni von Reedy”. Mir wurde bewusst was ich hier alles verloren könnte, wenn Vanessa die Schleuse nicht öffnen würde. Ich wollte es nicht wahr haben, dass Synni und Liv bereits tot waren. Der nächste Blick fand Vanessa aber nicht mehr vor, nur einen offenen Durchgang zum Cockpit. Hektisch und rastlos räumte ich die Cargo Boxen zur Seite, um nach einem Schlaggegenstand zu suchen, der eventuell das Fenster einschlagen könnte. Eine vollkommen irrationale Suche, da ich tief in mir wusste, dass kein Gegenstand kräftig genug wäre, diese Tür einzuschlagen. Vanessas Stimme erklang aus dem Sprachkanal des Schiffscomputers: “Tjarva, ich werde diese Krankheit nicht noch mehr Opfer fordern lassen! Verlasse das Schiff, lebe für uns alle weiter! Für FREYA, und das für immer!” Wie eingefroren stand ich mitten im Cargo Bereich, konnte meine Muskeln nicht bewegen und schaffte es nicht meinen Mund zu öffnen. Die Lichter an Bord des Schiffes färbten sich blutrot, so auch die angesprungenen Notfalllampen. Stürmisch schwank der rote Lichtkegel umher, während ich realisierte, dass es keine Hoffnung mehr gab. Vanessa hat die Selbstzerstörung eingeleitet, womit das Schicksal meiner wichtigsten Familie besiegelt war. Liv, die mich aufzog wie eine Mutter, Synni, meine allerbeste Freundin seitdem wir laufen konnten, und Vanessa, das kleine Mädchen des Getränkelieferanten, die unserer Rettungseinheit ihr ganzes Talent und Engagement schenkte... Ich griff nach meinen Helm und aktivierte die Rampe. Auf meinem MobiGlas aktivierte ich einen Ping auf die Comms-Anfrage meines Vaters. Ein letzter Blick zur Luftschleuse ließ mein Herz erkalten, womit ich den Gedanken meine Freunde zu retten endgültig aufgab. Der Helm umschloss meinen Kopf, zischte beim Ansetzen mit dem Undersuit, bevor ich die Kälte vom All, hinter der sich öffnenden Rampe, an meine Schultern kriechen spürte. Ganz langsam, endgültig und eisig durchfuhr die Schwärze meinen Atem. Ein Atem, der stillstehen wollte. Ein Herzschlag, der das letzte Trommeln der Vergangenheit war. “Für FREYA, und das für immer!”...


 

Das Logbuch 019 nimmt Bezug auf diese Geschichte:


Behind The Roleplay erzählt die Vorgeschichte der Hilfsorganisation FREYA:



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